Touching – Potenziale audio-visueller Aufzeichnungen taktiler und auditiver Phänomene in gestalterisch-künstlerischen Tätigkeiten

Nadia Bader / Michaela Götsch

Eine Hand streicht sorgsam ein Papier zurecht. In einer Nahaufnahme dieser Berührung wird die Beschaffenheit des Papiers spürbar: Ein leises, schleifendes Geräusch beim Streichen über die Oberfläche macht die raue Haptik des Materials hörbar, sein beobachtbares Nachgeben unter den Fingern lässt seine Weichheit erahnen. Es ist handgeschöpftes Büttenpapier. In der Folge wird das Papier befeuchtet und für einen Holzdruck vorbereitet.

Am Beispiel einer experimentellen sowie explorativen Arbeit mit Tutorial- und ASMR-Videos wird erkundet, inwiefern sich physisch-körperliche, taktile und auditive Aspekte ästhetischer Wahrnehmung und gestalterisch-künstlerischen Arbeitens videographisch aufzeichnen und vermitteln lassen. Dabei rücken mediale Transformationsprozesse in den Blick, welche die Eigenheiten spezifischer medialer und ästhetischer Ausdrucks- und Darstellungsmöglichkeiten als solche anerkennen und nutzen. Der Workshop möchte zu einem sensibilisierten Umgang mit diesen aus Lehrer*innenperspektive beitragen, der für den eigenen Kunstunterricht auf mehreren Ebenen fruchtbar werden kann. Hinsichtlich Tutorial-Videos fokussieren wir uns auf Ansätze, in denen (ästhetische, gestalterisch-künstlerische) Tätigkeiten vorgezeigt werden (How-to). Als Kontrast und Ergänzung beschäftigen wir uns mit Tutorial-ähnlichen ASMR*-Videos, die bestimmte akustische und visuelle Reize nutzen, um körperliche Reaktionen bei Rezipierenden hervorzurufen, z.B. Entspannung, Wohlbefinden und (ästhetischen) Genuss. Darüber hinaus sind auch videographische Dokumentationen von gestalterisch-künstlerischen Prozessen u.a. aus professionellen Kontexten als «unbeabsichtigte» Tutorial-/ASMR-Videos von Interesse.

Im Rahmen des Workshops diskutieren wir anhand ausgewählter Beispiele die Potenziale solcher Videos und sammeln in Erprobungen praktische Erfahrungen mit audio-visuellen Aufzeichnungen. In einer gestalterisch-künstlerischen sowie reflexiven Auseinandersetzung mit den vielfältigen Übersetzungs- und Transformationsprozessen an digital-analogen Schnittstellen werden Möglichkeiten aufgezeigt, wie ein dichotomes Verständnis von digital und analog überwunden werden kann. Videos im Kontext des Kunstunterrichts unter diesen Gesichtspunkten zu rezipieren und zu produzieren, kann eine reflektierte und vielschichtige Auseinandersetzung eröffnen mit …

… neuen/anderen Sicht- und Hörweisen durch Aufzeichnungen.
… einer (medial) fokussierten Aufmerksamkeit für gestalterisch-künstlerische Tätigkeiten am Beispiel taktiler und auditiver Aspekte.
… Gestaltungsmöglichkeiten in der Video- und Audioproduktion.

Der Workshop leistet damit einen Beitrag zu einem differenzierten und kritischen Umgang mit (Tutorial-/ASMR-)Videos im Kontext von Kunstunterricht, beispielsweise in digitalen Lernumgebungen. Diese bergen fachinhaltliche sowie (medien-)spezifische Chancen und Herausforderungen. Eine genauere Betrachtung dieser populärkulturellen Social-Media-Phänomene erscheint dabei ebenso lohnenswert wie die Beachtung von Sound als (künstlerischem) Gestaltungsmittel.

* ASMR steht für das Akronym „Autonomous Sensory Meridian Response“. Auf Social-Media-Plattformen zirkulieren Videos, die auf sehr vielfältige Weise auf das Hervorrufen einer solchen sensorischen Erfahrung abzielen: Oftmals steht das Erzeugen von Geräuschen rund um ein Mikrophon im Fokus, oder eine Person interagiert mit der Kamera in einer Weise, als berühre sie das Gesicht des/der Rezipienten/in; es gibt auch Rollenspiele oder „Erzählstunden“. Für uns von Interesse sind in erster Linie solche Videos, in welchen ASMR durch das Beobachten von Interaktionen mit Material und/oder künstlerische / gestalterische / handwerkliche Tätigkeiten hervorgerufen werden

Handout zum Workshop

DR. NADIA BADER ist seit September 2021 Junior-Professorin für Kunst und ihre Didaktik an der PH Freiburg (i.Br.). Zuvor war sie Dozentin für Fachdidaktik Bildnerisches Gestalten an der Professur für Didaktik in Kunst & Design am Institut Sek I & II der PH FHNW (CH) und freischaffende Gestalterin. Forschungsschwerpunkte sind u.a. Erkenntnis-/Vermittlungspotentiale des Visuellen in Forschung und Bildung sowie die Untersuchung von Lehr-Lern-Prozessen im Kunstunterricht vor praxistheoretischem Hintergrund.

MICHAELA GÖTSCH ist Dozentin für Fachdidaktik Design & Technik an der Professur für Didaktik in Kunst & Design am Institut Sek I & II der PH FHNW (CH). Zuvor unterrichtete sie am Institut für künstlerisches Lehramt an der Akademie der Bildenden Künste Wien (Ö), war Lehrerin für Technisches Werken, Textiles Werken und Bildnerische Erziehung auf der Sekundarstufe 1 und 2 und befasste sich mit personaler und medialer Kunst- und Kulturvermittlung.