„Dies ist mein Stein.“ Experiment, Narration und digitale Transformation im Kontext einer Materialbildung

Sara Burkhardt

Materialien sind präsent. Sie umgeben uns im Alltag, wir sehen sie, fassen sie gerne oder nicht so gerne an, riechen sie und hören sie sogar. Manche finden wir direkt in der Natur, andere sind bearbeitet, transformiert, in eine Form gebracht.

Materialien erzählen etwas über die Orte, an denen wir uns aufhalten, die Gegenden, in denen wir leben. In Objekte transformiert verweisen sie auf menschliche Anwesenheit, sie erzählen von Handlungen und Konventionen. Sie sind mitunter aufgeladen, wie zum Beispiel Beton oder Braunkohle, die etwas von der Geschichte einer Region erzählen, vom Umgang mit Lebensraum und Landschaft, von strukturellem Wandel. Schottersteine, zwischen Bahngleisen als Füllmittel genutzt, verändern ihre Bedeutung als Bestandteil sogenannter Schottergärten. Ein Stück Borke einer Platane, beim Stadtspaziergang gefunden, wird zum Ausgangspunkt einer Erkundung vielfältiger historischer und ökologischer Aspekte. Wie die Überreste der Eschen am Ufer des Flusses, die die vom Klimawandel verursachten heißen Sommer der letzten Jahre nicht überstanden haben.

Materialien stehen in einem historischen und kulturellen Gebrauchskontext und verweisen zugleich auf eine bestimmte Nutzung oder eine Verfahrenstechnik. Objekte der Kunst oder des Alltags, die aus einem bestimmten Material bestehen, ermöglichen über die Fokussierung dieses Materials Erfahrungen und Erkenntnisse. Künstlerinnen und Künstler nutzen den Symbolcharakter und wählen bewusst Materialien mit bestimmten Eigenschaften oder Sinngehalten aus. So spiegelt ein bestimmtes Material häufig auch den gedanklichen Ansatz eines Künstlers oder einer Künstlerin. Es ermöglicht erst Bildlichkeit und ist fast immer eng mit dieser verschränkt.

In der Materialsammlung der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle werden Materialien gesammelt und zugänglich gemacht, da Wissen über Material und Materialität für Gestaltungsprozesse bedeutsam ist. Gleichzeitig ist die Materialsammlung ein Ort des Experiments. Künstlerische und handwerkliche Herangehensweisen sind eng miteinander verflochten, wenn Material in den Blick genommen wird. In Designprozessen kann Material zum Ausgangspunkt für Experimente werden und Ideen inspirieren. Wenn aus einem Rohstoff ein Objekt wird, wenn er transformiert wird, wird etwas sichtbar, wird Materialität begreifbar. Materialien zeigen ihre Qualitäten im Prozess, in der Bearbeitung, in der Verflüssigung oder Verfestigung, in der Auflösung oder im Wachstum. Aber die Materialsammlung spiegelt sich auch im Netz, als Teil des Verbundes Material-Archiv. Hier werden die Verfahren und Anwendungen mit thematischen Bezügen verknüpft, die Materialien mit Geschichte, Ökonomie und Ökologie.

Bei einer Materialbildung — aus kunstpädagogischer Perspektive — geht es nicht nur um ein Wissen über Materialien, sondern um die Generierung von Wissen durch direkte Erfahrungen mit Materialien. Zentral ist ein genaues Beobachten, ein direkter Umgang, ein Experimentieren — eine Praxis. Zunehmend gerät der Aspekt der Nachhaltigkeit in den Fokus: Wie lassen sich Materialien in einen Kreislauf überführen, sinnvoll transformieren, auch in Verbindung mit digitalen Formaten? Lässt sich die Erkundung und der Materialumgang vor Ort durch Archive und Sammlungen im Digitalen bereichernd ergänzen?

Im Vortrag wird anhand von Beispielen gezeigt, welche narrativen Aspekte Materialien im Kontext von Kunst und Design transportieren können und wie mit Hilfe digitaler Vernetzung eine Verbindung von Sensibilisierung, Wissen und Ästhetik geschaffen werden kann. Wie können Materialien Eingang in Bildungsprozesse finden? Welche Rolle spielt das Experimentieren? Kann eine Sensibilisierung für Materialien und ihre Kontexte dazu beitragen, dass wir bewusster mit dem umgehen, was uns umgibt? Werden anhand von Materialien Fragen zur Zukunft aufgeworfen? Wie finden wir Antworten?