Hartmut Wilkening

(Amsterdam)

PARADIGMENWECHSEL FÜR DIE SKULPTUR = NEUES PARADIGMA FÜR DIE AUSBILDUNG?

Das Berufsfeld für Bildhauer und andere professionelle Künstler in Europa hat sich in den letzten Jahren drastisch verändert. Der Kunstmarkt realisiert mehr Umsatz mit weniger Künstlern, die öffentliche Hand zieht sich zurück. Zudem entstehen zeitgleich mit neuen Technologien und neuen Marketingstrategien auch neue Berufsfelder. Zunehmend werden hier Arbeitskräfte mit besonderen kreativen Kompetenzen gesucht. Insgesamt können wir beobachten, wie eine gesellschaftlich breit getragene Wertschätzung von autonomen Kunstpraktiken in hohem Tempo Platz macht für eine eher pragmatische Auffassung von der Kunst – oft umschrieben mit dem Begriff der Kreativität.

In meinem Vortrag möchte ich die These vertreten, dass der Autonomieverlust der bildenden Kunst nicht nur die Folge eines zunehmend dominanten Marktdenkens ist. Der Autonomieverlust hat eine tiefere Logik. Er ist tief eingebettet in die Zeit, in der wir heute leben. Die Forderung, die Kunst nutzbar zu machen, ist mittlerweile auch gegenwärtig, wenn sie nicht ausgesprochen wird. Wir können von einem Paradigmenwechsel sprechen. Die jetzt studierende Generation akzeptiert beispielsweise nicht, dass dringende Probleme der Gegenwart zwischen den Wänden der Kunstmuseen abgehandelt werden. Sie vertraut immer weniger auf eine autonome Domäne. Sie sucht Antworten überwiegend außerhalb der klassischen Ausstellungsräume. Oder vergisst, dass es Museen überhaupt gibt.

Für Studierende und Dozenten der Bildhauerei stellt sich die Herausforderung, die wertvollen, traditionellen Kompetenzen des skulpturalen Handelns zu aktualisieren. Eine realistische Perspektive auf zukünftige Arbeitsfelder für Bildhauer und Bildhauerinnen ist hier essentiell. Mit Beispielen aus der aktuellen Kunstgeschichte und Lehrpraxis möchte ich meine Auffassung veranschaulichen, dass wir uns weniger von einer Vorstellung von autonomer Produktion leiten lassen sollten, sondern viel mehr von der Idee autonomer Denkgewohnheiten.


HARTMUT WILKENING geboren 1962 in Hamburg, wohnt und arbeitet als freier Künstler in Amsterdam. Seit 2007 als Gastdozent an der Universität Paderborn. Unterrichtete an zahlreichen Akademien in Deutschland, Belgien und den Niederlanden. Momentan unterrichtet er Masterstudenten am Sandberg Instituut Amsterdam. Er studierte Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf und an der Rijksakademie Amsterdam. Einzelausstellungen unter anderen im Chinese European Art Center Xiamen, TENT Rotterdam und Galerie Rodolphe Janssen in Brüssel. Kunstaufträge unter anderen in Zusammenarbeit mit dem staatlichen Hochbauamt Stuttgart, der niederländischen Stiftung SKOR, der Stadt Venlo und der Stadt Amsterdam.