Manfred Blohm

(Europa-Universität Flensburg)

ÜberSehen – SKULPTURKONZEPTE IN ÖFFENTLICHEN KONTEXTEN

Exemplarisch thematisiert und befragt werden künstlerische Arbeiten, die sich einer Wahrnehmung und einem Erkennen als künstlerische Werke in alltäglichen Kontexten tendenziell verweigern. Passanten gehen an diesen Werken vorbei und nehmen sie meist gar nicht wahr oder allenfalls zufällig oder als irritierende Störung. Solche Arbeiten haben es gewissermaßen schwer, die Aufmerksamkeit in einer ästhetischen Fülle auf sich zu lenken. Den Kunstkontext und ihr Potential entfalten diese Werke erst dadurch, dass die Betrachter*innen sie in dem Bewusstsein wahrnehmen und reflektieren, dass es sich um künstlerische Konzepte oder künstlerische Arbeiten handelt.
Wenn Karin Sanders beispielsweise sechs Litfaßsäulen temporär im Stadtraum Langenhagens mit Raufasertapete tapezieren lässt, oder Tadashi Kawamata im Rahmen seines Projektes „Field Work“ in verschiedenen Großstädten verschiedener Kontinente in einer Art Guerilla-Taktik jeweils vorgefundene Materialien zu temporären Bauten zusammenfügt, um sie dann dem Verfall zu überantworten, oder wenn KimSooja in ihrer Video Performance Arbeit „A Needle Woman“ an zentralen Orten alltäglichen Lebens in weltweiten Großstädten in immer derselben Kleidung starr dasteht, so dass die Passanten ihr ausweichen müssen, dann wird das Verhältnis von Künstler*in, Betrachter*in und Kunstwerk ein Verhältnis, dass zuweilen eher in der zeitlichen Distanz – also u.U. nach dem Beenden oder Verschwinden der Arbeiten – in den Kunstkontext eingeholt wird. Kunstprojekte werden zu einer Art soziologischer Versuchsanordnung, die einerseits Rückschlüsse über die Orte und die dort lebenden Menschen ermöglichen und andererseits Funktionen von Kunst im gesellschaftlichen Kontext der Zeit mit thematisieren.
Kunstpädagogisch interessant können solche Konzepte und Projekte unter dem Aspekt der Thematisierung von ästhetischen Eingriffen in alltägliche Lebensräume werden, die nicht einem direkten (ästhetischen) Gebrauchswert unterliegen. Schülerinnen und Schüler können eigene raumbezogene Gestaltungsanordnungen oder -eingriffe konzipieren und auf ihre Wirkungen auf ihre Umgebung hin untersuchen.


MANFRED BLOHM Professor für Bildende Kunst an der Europa-Universität Flensburg (seit 1995). Er studierte von 1973 bis 1978 an der Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und promovierte 1984 zum Dr. phil. an der Universität Oldenburg (b. Prof. Gert Selle). Vor einer Tätigkeit als Lehrer an einer Gesamtschule in Hannover war er wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Essen. Von 2005 – 2009 war er Prorektor der Europa-Universität Flensburg. Er ist Mitglied im Beirat des Projektes “Kultur.Forscher!” der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), Berlin. Arbeitsschwerpunkte: Ästhetische Biografiearbeit, Ästhetische Forschung, Medienpädagogik.